AvaBlog 25. - 30. Dezember 2022

Schneemangel und Altschneeproblem

Unterhalb von 2000 m liegt sehr wenig oder kein Schnee. Auch oberhalb von 2500 m sind die Schneehöhen meist unterdurchschnittlich, im Wallis teils durchschnittlich. Dieser Blog beinhaltet eine klimatologische Einordnung der gegenwärtigen Schneelage. «Wenig Schnee» bedeutet in vielen Gebieten in der Höhe ein ausgeprägtes «Altschneeproblem». Auch dazu mehr in diesem Blog.

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In den nördlichen Voralpen (Kaiseregg 2185 m, Plaffeien, FR) wurde die Schneedecke durch das weihnachtliche Tauwetter arg dezimiert. Zwei Tage später sank die Schneefallgrenze auf etwa 1200 m, sodass wenigstens die Bergspitzen wieder in frischem Weiss erstrahlen. Ohne technischen Schnee gäbe es hier keine Skipiste (Foto: Franz Thalmann, 27.12.2022).
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Weisse Weihnacht nur am Berg: Der Niesen (2362m, Wimmis, BE) am Thunersee zeigt sich an Heiligabend nach zwei Tagen Regen nur noch wenig verschneit und mit einigen Nassschneerutschen (Foto: Peter Althaus, 24.12.2022).
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Frühjahrsbild im Dezember: Die Erwärmung brachte viele Lockerschneerutsche und Schnee-Rollen mit sich, wie hier im Melchtal (Kerns, OW) auf ca. 2250m Höhe. (Foto: Sascha Leitner, 26.12.2022).
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Unter anderem im Wallis (Mettelhorn, 3400m, Täsch, VS) waren nach den intensiven Niederschlägen der Weihnachtstage einige Sprengungen nötig, welche mehrere grosse bis sehr grosse Lawinen auslösten (Foto: Bruno Jelk, 27.12.2022).
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Der bodennahe Altschnee ist trotz der warmen Lufttemperaturen nach wie vor weit verbreitet vorhanden, wie hier an der Fuorcla de la Valetta (2585m, Surses, GR) (Foto: Gregor Vellacher, 25.12.2022).
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Das Altschneeproblem führt durch die guten Eigenschaften zur Bruchausbreitung vielerorts zu grossen Lawinen, zum Teil auch durch Fernauslösung wie hier an der Nordseite des Madrisahorns (2600m, Luzein, GR) (Foto: Franz Vonlanthen, 28.12.2022).
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Auch südlich des Muttenstocks (ca. 2650m, Breil/Brigels, GR) wurde eine grosse Lawine im Altschnee fernausgelöst. (Foto: Lauro Seeli, 27.12.2022).
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Spontane Schneebrettlawine an einem Südhang, die im schwachen Altschnee angebrochen ist: Diese Lawine wurde an der Botta Cuolm (2858m, Zuoz, GR) beobachtet. (Foto: August Möckli, 29.12.2022).

In der Zwischenzeit:

Seit dem letzten AvaBlog am Samstag, 24.12. war es mit meist mässigem bis starkem Westwind unbeständig. Am Sonntag, 25.12. lag die Nullgradgrenze bei 3200 m, sank bis am Dienstag, 27.12. auf rund 1200 m, und stieg dann wieder über 2000 m. Es gab zwei erwähnenswerte Niederschlagsperioden: In der Nacht auf Dienstag, 27.12. und in der Nacht auf Freitag, 30.12. (vgl. Abb. 1).

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Abb. 1.a: 24-Stunden-Neuschneesumme am Dienstagmorgen, 07:40 Uhr. Die Schneefallgrenze sank von rund 2000 m gegen 1200 m. Es schneite im westlichsten Unterwallis an der Grenze zu Frankreich sowie am zentralen und östlichen Alpennordhang ohne Voralpen: 15 bis 30 cm, sonst im Wallis, am Alpennordhang, in Nord- und Mittelbünden und im Unterengadin: 5 bis 15 cm, weiter südlich weniger oder es blieb trocken.
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Abb. 1.b: 24-Stunden-Neuschneesumme am Freitagmorgen, 07:40 Uhr. Die Schneefallgrenze sank von rund 1600 m gegen 1200 m. Es schneite am westlichen Alpennordhang und im nördlichen Unterwallis 10 bis 20 cm, im übrigen Unterwallis und am zentralen Alpennordhang 5 bis 10 cm, sonst weniger.

Schneelage am Freitag, 30.12.

Aktuell sind die Schneehöhen in den Schweizer Alpen stark unterdurchschnittlich. Auf 1500 m liegen nur ca. 5 bis 15 cm, auf 2000 m ca. 20 bis 40 cm Schnee, wobei das nur für die flachen Messfelder gilt. Von den rund 70 langjährigen Beobachterstationen zwischen 1000 und 2000 m zeigen nur 9 Messfelder relative Schneehöhen zwischen 50 und 80%, alle anderen Stationen zeigen weniger als die Hälfte wie für Ende Jahr üblich (im Vergleich zum Durchschnitt 1991-2020). Oberhalb 2000 m sieht die Situation nur wenig besser aus. Nur gerade an knapp 20% der Stationen (vor allem im Wallis) werden Schneehöhen zwischen 80 und 110 % gemessen. Gründe dafür sind einerseits die frühwinterliche Trockenheit von November bis Mitte Dezember und andererseits die hohe Nullgradgrenze während der Niederschläge um die Weihnachtszeit.

Die aktuelle schneearme Situation basierend auf allen manuellen Stationen unterhalb 2000 m (Abb. 2a) ist langjährig gesehen aussergewöhnlich, weil es nur 3 Jahre gibt mit noch weniger Schnee im ganzen Schweizer Alpenraum zu Jahresende. Allerdings liegen zwei Situationen (2015 und 2016) mit grösserer Schneearmut nur 6 respektive 7 Jahre zurück (Abb. 2b und 2c).

Das dritte Jahr war der Dezember 1989. Ähnlich wenig Schnee lag auch im Dezember 1987. Es gibt zwar auch weiter zurückliegende sehr schneearme Situationen zum Jahresende (z.B. 1963), allerdings war in diesen Jahren immer nur die Gebiete der Alpennordseite betroffen. Oberhalb 2000 m gibt es nur ganze wenige Stationen, die mehr als die letzten 20 Jahre abdecken. Ein Vergleich der aktuellen Situation auf dieser Höhenzone (Abb. 3a) mit 2015 und 2016 (Abb. 3b und 3c) zeigt, dass diese zwei Jahresenden auch oberhalb 2000 m schneeärmer waren.

Lawinenprobleme zum Jahresende: Vor allem Altschnee, gebietsweise auch Neu- und Triebschnee

Die Schneedecke ist geprägt vom intensiven, vorweihnächtlichen Dauerregen unterhalb von 2200 m und vom anhaltenden, zum Teil starken Westwind im Westen, Norden und allgemein in der Höhe. Damit entstanden immer wieder Triebschneeansammlungen, die vorübergehend leicht auslösbar waren (vgl. Abb. 4):

Unter den Neu- und Triebschneeschichten der letzten Niederschläge liegen noch immer schwache, aufbauend umgewandelte Altschneeschichten, in denen Lawinen ausgelöst werden können oder in die oberflächennah ausgelöste Lawinen hinunterreissen können (vgl. Abb. 5, 6 und 7). Dies betrifft vor allem Höhenlagen oberhalb von 2200 bis 2400 m und dort vor allem West-, Nord- und Osthänge, mit zunehmender Höhenlage auch Südhänge. Ausser in den Voralpen, im Jura und im Sotto Ceneri gibt es diese Konstellation in allen Gebieten. Aufgrund der Überlagerung von rund einem halben Meter ist die Situation für Schneesportler im Wallis südlich der Rhône, in den nördlichen Teilen Graubündens und wahrscheinlich auch in den Glarner- und St. Galler Alpen am ungünstigsten: Lawinen können im Altschnee ausgelöst und gross werden. Fernauslösungen sind möglich. In den übrigen Teilen des Wallis und Berner Oberlandes ist eine Auslösung durch Personen aufgrund der mächtigeren Überdeckung weniger wahrscheinlich. In den übrigen Teilen Graubündens ist die Anzahl Gefahrenstellen kleiner und die Lawinen erreichen aufgrund des wenigen Schnees eher kleine oder mittlere Ausmasse. Aber auch dort darf das Altschneeproblem nicht unterschätzt werden.

Aufgrund der Schneelage sind viele Touren und Variantenabfahrten noch nicht begangen worden, die sonst um diese Zeit bereits häufig begangen sind. Der Bonus «viel befahren» kann also in vielen Fällen noch nicht in die Beurteilung einbezogen werden.

Lawinenunfälle

In den letzten 7 Tagen wurden dem Lawinenwarndienst 28, durch Personen ausgelöste Lawinen gemeldet (vgl. Abb. 8). Gemäss den heutigen Informationen wurden zwei Person verletzt. Tödliche Unfälle ereigneten sich keine.

 

 

 

Gefahrenentwicklung

Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.

 

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