Sommerliche Wärme, dann Regen und Schnee: Nasse Lawinen in der Höhe ¶
Ab dem 24. April wurde es warm und wärmer, bis die Nullgradgrenze am 3. Mai die 4000er Marke knackte. Danach kühlte es allmählich ab und es fielen teils bedeutende Niederschläge. Wärme, Regen, und Neuschnee auf die komplett durchnässte Schneedecke – es gab viele Gründe für immer dasselbe Resultat: Nasse Lawinen!
Was vorher geschah ¶
Nach dem Grossschneefall vom 15. bis 18. April (letzter Blog) beruhigte sich die Lawinensituation rasch. Eine sehr grosse Lawine wurde aber noch 4 Tage danach gemeldet (Abb. 1). Sie wurde möglicherweise durch Personen ausgelöst und führte zu einer grossen Suchaktion. Zum Glück stellte sich heraus, dass niemand erfasst worden war. Diese Lawine zeigt exemplarisch, dass nach einem Grossschneefall zwar die Anzahl Orte abnimmt, wo eine Lawine ausgelöst werden kann, nicht aber die Lawinengrösse.
28. April bis 02. Mai: warm, wärmer, und immer mehr nasse Lawinen ¶
Ab Samstag, 26. April wurde es immer wärmer (Abb. 2). Sonne und Wärme führten der Schneedecke deutlich mehr Energie zu, als diese in den zumindest teilweise klaren Nächten abstrahlen konnte. Damit wurde die Schneedecke immer höher hinauf durchnässt. Erreicht das einsickernde Wasser zum ersten Mal eine Schwachschicht, so wird diese kurzeitig stark geschwächt und nasse Schneebrettlawinen können spontan abgehen, oder manchmal auch durch Personen ausgelöst werden.
Um zu bestimmen, in welchen Expositionen in welcher Höhe die erste Anfeuchtung stattfindet, nutzt der Lawinenwarndienst ML-Modelle, die ihrerseits auf die Resultate von Schneedeckenmodellierungen zurückgreifen.
An den Südhängen war der Schnee in den Höhen der IMIS-Stationen (meist unter 2900 m) bereits früher nass geworden. Damit gab es keine erste Anfeuchtung und das Modell erwartete trotz weiterer Schneeschmelze keine grosse Lawinenaktivität mehr (Abb. 3).
An Nordhängen dagegen zeigte das Modell, das jeden Tag immer höher gelegene Hänge angefeuchtet (Abb. 4) wurden. Während die Lawinenaktivität auf 2000 m ab Donnerstag, 1. Mail abnahm (hellviolette Linie), stieg sie auf 2750 m noch bis am Samstag, 3. Mai weiter an.
Ein weiteres Indiz für den Ort der ersten Anfeuchtung sind die gemeldeten Lawinenabgänge. In dieser Periode erfolgten diese an Ost-, Süd- und Westhängen zwischen etwa 2800 und 3400 m (Abb. 5 und 6), sowie Nordhängen bis maximal 2800 m (Video 1).
03. Mai bis 06. Mai: Niederschlag auf nasse Schneedecke und weitere Nassschneelawinen ¶
Von Samstag, 03.05. bis Dienstag, 06.05. fiel Niederschlag. Am intensivsten war dieser zwischen Sonntag- und Montagmorgen, mit etwa 100 mm Regen im Sotto Ceneri. Ursache war eine Gegenstromlage, bei der warme, feuchte Luft aus Süden auf kühlere, aus Nordosten einfliessende Luft traf und dabei angehoben wurde. Die Schneefallgrenze sank von anfangs 2900 m im Norden auf etwa 1500 m, im Süden nur langsam auf etwa 2000 m.
Insgesamt fielen bis am Dienstagmorgen in 3 Tagen im südlichen Tessin etwa 130 mm Regen, meist auf aperen Boden und damit punkto Lawinen bedeutungslos. Im Hochgebirge fielen insgesamt folgende Schneemengen (Abb. 7):
- vom östlichen Tessin über das Hinterrhein bis zur Bernina: 60 bis 90 cm
- sonst verbreitet 30 bis 60 cm; vom südlichen Wallis über die Haslitäler bis Altdorf weniger.
Die Angst war, dass im (trockenen oder feuchten) Neuschnee angerissene Lawinen weiter unten die durchnässte Schneedecke mitreissen und so ins Grüne vorstossen konnten. Deshalb wurde für die Nacht auf Montag, 05.05., die Zeit der intensivsten Niederschläge, vom östlichen Tessin bis zur Bernina vor grosser Lawinengefahr (Stufe 4) gewarnt. Mit dem Abklingen der Niederschlagsintensität wurde die Gefahr am Montagmorgen dann auf Stufe 3+ zurückgestuft.
Der Lawinendienst des noch geschlossenen Albulapasses berichtete noch tagsüber von einer während etwa einer Stunde sehr hohen Lawinenaktivität von mittleren und vereinzelt grossen Lawinen (Video 2 und Bildstrecke)
Sonst lagen bis zum Redaktionsschluss, typisch für diese Jahreszeit, kaum Meldungen vor. Weder solche mit noch solche ohne Lawinen (Abb. 8).