Wochenbericht 29. März-05. April 2018

Winterliche Ostern mit gebietsweise viel Neuschnee und grosser Lawinengefahr, viele Lawinenunfälle, dann zunehmend nasse Lawinen

Am Osterwochenende fiel verbreitet Schnee, besonders intensiv in der Nacht auf Karsamstag vom nordwestlichen Tessin bis in die zentralen Gebiete am Alpennordhang. Oft starker Wind aus wechselnden Richtungen verfrachtete den lockeren Alt- und Neuschnee in der Höhe. Die Verhältnisse waren in der Höhe winterlich mit zeitweise sehr kritischer Lawinensituation. Mit Regen bis in mittlere Lagen sowie mit der starken Erwärmung gingen vermehrt nasse Lawinen und unterhalb von rund 2400 m an allen Expositionen Gleitschneelawinen nieder. Sie erreichten aufgrund der stark überdurchschnittlichen Schneehöhen teils grosse Ausmasse.

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Magische Morgenstimmung im Val Mustair (GR). Doch der Schein trügt, am Nordosthang des Piz Dora wurde diese Lawine am 01.04. auf ca. 2600 m von einer Tourengruppe ausgelöst. Zum Glück wurde niemand verletzt (Foto: W. Kiser, 01.04.2018).
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Eine grosse Nassschneelawine im Mäslowina Graben im oberen Saastal (Eisten, VS). Die Lawine ging am 29.03.2018 ostseitig spontan ab (Foto: U. Andenmatten).
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Die Schneemengen im Wallis werden beim Anblick der automatischen Messstation L'Ecreuleuse (2252 m) deutlich (der Ausleger mit den Sensoren befindet sich rund 6 m über dem Boden). Die IMIS-Schneestation mass am 30.03.2018 eine Schneehöhe von 460 cm (Foto: J.-L. Lugon).
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Grossflächiger Lawinenanriss im Val Tscheps (GR) auf einer Höhe von ca. 2450 m. Der Bereich des Anrisses liegt an einem sehr steilen Nordhang unterhalb des Piz Mezzaun (2962 m; Foto: A. Möckli, 31.03.2018).
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Eine Gleitschneelawine an einem sehr steilen Nordwesthang des Dent de Lys (2014 m, FR, Haut-Intyamon). Der Gratverlauf ist auf einer Höhe von ca. 1800 m (Foto: Y. Gramigna, 31.03.2018).
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Eindrückliche Windspuren im Gipfelbereich des Hauptgipfel Cima de la Bedoleta (2464 m, Mesocco, GR). Man erkennt, wie der Schnee auf den offenen Flächen abgetragen wurde und sich in den Mulden ablagerte (Foto G. Valenti, 01.04.2018).
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Eine mittelgrosse, spontane Lawine an den Nordhängen des Piz da las Coluonnas (2802 m, Surses, GR). Die Lawine ist vermutlich im Verlauf vom Ostersonntag, 01.04.2018 spontan abgegangen (Foto: SLF/R. Kenner).
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Weitblick ins Rhônetal (VS). Die tiefen Lagen sind aper, während in der Höhe im Wallis für die Jahreszeit noch sehr viel Schnee liegt (Foto: J.-L. Lugon, 02.04.2018).
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Schöne Pulverbedingungen oberhalb von 2400 m im Berninagebiet am Ostermontag. Die Tourengruppe ist an den Nordhängen der Fortezza (3371 m, Zernez, GR) unterwegs (Foto: M. Casella, 02.04.2018).
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Mehrere spontane Lawinenabgänge im Val Sumvitg unterhalb des Piz Muraun (2897 m, Medel, GR). Die Anrisse befinden sich vor allem an Westhängen (Foto: M. Gilgien, 02.04.2018).
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Diese Lawine ist an den sehr steilen Nordhängen im Bereich des Val la Puoza (Tujetsch, GR) bis ins Tal vorgestossen. Die Ablagerung sieht feucht aus, der Anriss könnte allerdings auch im noch trockenen Schnee gewesen sein (Foto: N. Levy, 02.04.2018).
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Gleitschneelawine vom 02.04.2018 im Lauterbrunnental bei Mürren, BE (Foto: P. Bühler).
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Die Lawine der Zukunft? Ablagerung einer Gleitschneelawine in Fully (VS), die in ihrem aperen Auslaufbereich viel Staub aufgewirbelt hat (Foto: G. Cheseaux, 03.04.2018).
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Eine durch Personen ausgelöste Lawine an der Stelli im Prättigau (Trimmis, GR), der Anriss liegt auf ca. 1900 m (Foto: M. Scheel, 03.04.2018).
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Eindrückliche Schneefahnen am Brudelhorn, Goms (2790 m, VS). Mit dem stürmischen Südwind wurde der Schnee vor allem in die Nordhänge verfrachtet (Foto: R. Imsand, 04.04.2018).

Wetter

Der März war insgesamt gesehen rund 1 Grad kälter als im Vergleich zur Norm 1981−2010. Im Norden fiel wiederholt Schnee bis in tiefe Lagen. Im Süden war es einer der kühlsten Märzmonate der letzten 30 Jahre (Quelle: Klimabulletin der MeteoSchweiz). Ganz in diesem Trend verhielt sich auch das diesjährige Osterwochenende, das auf Ende März/Anfang April fiel (Abbildung 1).

Gründonnerstag, 29.03.: Ende der Schneefälle im Norden
Von Mittwoch- bis Gründonnerstagmorgen fielen am Alpennordhang, im Unterwallis, im Gotthardgebiet und von Nordbünden bis nach Samnaun 10 bis 20 cm, lokal bis 30 cm Schnee oberhalb von 2000 m. Tagsüber war es bewölkt mit einzelnen Schauern. Damit ging eine viertägige Schneefallperiode zu Ende, die in der Vorwoche am Montag, 26.03. begann. In Summe fielen bis zum Gründonnerstagmorgen im Westen und Norden verbreitet 15 bis 30 cm, gebietsweise im Unterwallis, am Alpennordhang sowie in Samnaun bis 50 cm Schnee.

Karfreitag, 30.03. bis Ostersonntag, 01.04.2018: ergiebige Schneefälle, hohe Intensität in der Nacht auf Karsamstag, sinkende Schneefallgrenze
In der Nacht auf Karfreitag setzten im Süden Niederschläge ein, die sich in der Nacht auf Karsamstag intensivierten und in einer Gegenstromlage auch auf den Norden übergriffen. In der intensivsten Phase in der Nacht auf Karsamstag fiel in den zentralen Gebieten des Alpennordhanges vom Brienzersee bis nach Muotathal mit 50 bis 80 cm Schnee in 12 Stunden deutlich mehr Schnee als erwartet (vgl. Abschnitt Schneedecke, Lawinengefahr und Lawinenaktivität).  Der Südwind blies im Süden und in der Höhe stark. Am Ostersonntag fiel dann im Norden und Westen verbreitet Niederschlag mit mässig bis starkem Nordwestwind. Im Süden wurde es zunehmend sonnig. Abbildung 2 zeigt die 3-Tages-Neuschneesumme bis Ostersonntagmorgen. Mit gut 1 m Neuschnee fiel am meisten in den zentralen Gebieten der Schweizer Alpen, nach West und Ost nahmen die Schneemengen ab. Die Schneefallgrenze sank im Verlauf dieser Tage von 1800 auf rund 800 m.

Ostermontag, 02.04. bis Mittwoch, 04.04.2018: Schwache Schneefälle im Süden, starker Südwind, im Norden mit Föhn sehr mild
Der Ostermontag war verbreitet sonnig. Der Wind drehte auf West und blies mässig. Die Temperaturen stiegen von Westen her markant an (Abbildung 1) und lagen mittags auf 2000 m zwischen +5 °C im Westen und +2 °C im Osten und Süden. In der Nacht auf Dienstag setzte in der Höhe starker Südwind ein, der bis Mittwochnachmittag anhielt. In den Föhngebieten des Nordens blies zeitweise starker Föhn bis in die Täler. Auch in den Nächten war es nur zeitweise aufgehellt und mild. Am Alpenhauptkamm vom Simplongebiet bis ins Berninagebiet und südlich davon fielen 10 bis 20 cm, ganz im Westen 5 bis 10 cm Schnee. Die Schneefallgrenze lag bei 1500 m.

Donnerstag, 05.04.2018: Schneefälle im Westen und Süden

Der Wind flaute ab und blies schwach bis mässig aus westlichen Richtungen. Im westlichsten Unterwallis, in den Waadtländer und Freiburger Alpen und am Alpensüdhang fielen vor allem in der Nacht auf Donnerstag 15 bis 30 cm,  sonst wenige Zentimeter Schnee. Tagsüber war es im Süden und in Graubünden teils sonnig, sonst meist bewölkt mit schwachen Schneeschauern oberhalb von rund 1500 m.

Schneedecke, Lawinengefahr und Lawinenaktivität

Die Schneehöhen stiegen in dieser Berichtswoche an vielen hoch gelegenen Stationen noch einmal an und waren für Anfang April in hohen Lagen verbreitet stark überdurchschnittlich, in mittleren Lagen jedoch nur im Wallis, in der Zentralschweiz und am Alpensüdhang. Die Schneedecke war an Südhängen unterhalb von rund 2300 m durchnässt, an Nordhängen unterhalb von rund 1800 m. Schwachschichten in der trockenen Schneedecke lagen in höheren Lagen vor allem an West-, Nord- und Osthängen im Neu- und Triebschnee. Nach wie vor waren aber im oberen Bereich der Altschneedecke schwache, immer noch störanfällige Schichten vorhanden. Dies vor allem im Wallis und in Graubünden.

Die verbreitet sehr komplexe Situation am Übergang vom Winter zum Frühling kombiniert mit viel Wind und starken Niederschlägen an den Osterfeiertagen führte zu einer hohen Aktivität von nassen und trockenen Lawinen. Die Lawinengefahr erreichte in der Nacht auf Karsamstag, 31.03. die Stufe 4 (Gross). Da die Niederschläge weiter als erwartet auf die nördlichen Gebiete übergriffen, wurde das prognostizierte Gebiet mit Stufe 4 (Gross) am Karsamstagmorgen im Lawinenbulletin auf die nördlichen Gebiete ausgedehnt (vgl. Gefahrenverlauf unten). Neu- und Triebschnee waren sehr störanfällig und es lösten sich viele mittlere und teils grosse spontane Lawinen (Abbildung 3).

Die Lawinen rissen oft auch in tiefere Schneeschichten durch, in den schneeärmeren Gebieten teils auch bis in bodennahe Schichten (vgl. Bildgalerie). Vor allem in den Hauptniederschlagsgebieten rissen die Lawinen in ihrer Sturzbahn den nassen Schnee mit und stiessen teils bis in die Täler vor  (Abbildung 4). Die Gefahr von Nass- und Gleitschneelawinen blieb mit der starken Erwärmung und oft bedeckten Nächten bis zum Ende dieser Berichtswoche erhöht. Aufgrund der grossen Schneehöhen waren die Lawinen teils recht gross (vgl. Bildgalerie).

Der Spitze der Lawinenaktivität wurde am Karsamstag erreicht (Abbildung 5). Abseits der geöffneten Pisten war die Situation aber auch am Ostersonntag und mit dem starken Südwind und der starken Erwärmung auch an den folgenden Tagen für Touren und  Varianten noch sehr heikel mit verbreitet und anhaltend erheblicher Gefahr für trockene und nasse Lawinen (Stufe 3).

Lawinenunfälle

Dem SLF wurden in dieser Berichtswoche 14 Lawinenunfälle mit 20 erfassten Personen gemeldet (Abb. 6). Dabei ereignete sich am Karsamstag, 31.03. ein grosser Lawinenunfall im Gebiet Fiescheralpe (VS), als eine Gruppe mit fünf Tourengängern erfasst und ganz verschüttet wurde. Zwei Personen erlitten leichte Verletzungen, drei Personen kamen in der Lawine ums Leben. Bei acht Lawinenniedergängen entstanden Sachschäden an Verkehrswegen/Wald oder es mussten Kontrollsuchen durchgeführt werden.

Ende März 2018 lag die Anzahl der in Lawinen erfassten Personen leicht über dem Durchschnitt, die Anzahl der Todesopfer in Lawinen mit 23 Personen leider deutlich über dem langjährigen Durchschnitt (18 Todesopfer durchschnittlich bis Ende März in den letzten 20 Jahren).

 

Gefahrenentwicklung

Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.

 

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