Zusatzbelastung

Lawinen können spontan abgehen (ohne menschliches Dazutun), oder durch eine künstliche Zusatzbelastung ausgelöst werden.

Spontane Lawinen

Wird im Lawinenbulletin vor spontanen Lawinen gewarnt, kann sich das auf Schneebrett-, Lockerschnee- oder Gleitschneelawinen beziehen. Dabei stehen Auslösungen z.B. durch die Belastung infolge von Schneefall oder Regen, einen Festigkeitsverlust der Schneedecke infolge Erwärmung oder Anfeuchtung oder auch eine Veränderung des Schneebretts im Vordergrund. Wird im Lawinenbulletin nicht explizit vor spontanen Lawinen gewarnt, so heisst das nicht, dass diese ausgeschlossen sind.

Zusatzbelastung

Im Lawinenbulletin gemachte Angaben zur Zusatzbelastung beziehen sich auf trockene Schneebrettlawinen.

  • Als künstliche Zusatzbelastung gelten z.B. Wintersportler oder Pistenmaschinen, aber auch Sprengungen zur Lawinensicherung.
  • Als natürliche Zusatzbelastung gelten nicht nur Neuschnee und Regen, sondern auch Wechtenabbrüche oder Eisschlag. Diese können die Schneedecke sehr hoch belasten und damit sogar bei recht günstigen Verhältnissen Lawinen auslösen.

Die Definition in der europäischen Lawinengefahren-Skala unterschiedet zwischen «kleiner» und «grosser» Zusatzbelastung, wobei ab Gefahrenstufe 3 (erheblich) Lawinen bereits mit kleiner Zusatzbelastung ausgelöst werden können, während es bis zu Stufe 2 (mässig) eher einer grossen Zusatzbelastung bedarf.

Kleine Zusatzbelastung

  • einzelner Skifahrer/Snowboarder, sanft schwingend, nicht stürzend
  • einzelner Schneeschuhgeher
  • mehrere der obgenannten Wintersportler mit Entlastungsabständen

Grosse Zusatzbelastung

  • Sturz oder Sprung
  • zwei oder mehrere Wintersportler nahe zusammenstehend
  • Pistenfahrzeug
  • Lawinensprengung
  • Wechtenabbruch, Eisschlag

Angaben zur Zusatzbelastung sind hilfreich, doch handelt es sich nur um grobe Richtwerte, die bei der Beurteilung nicht zu stark gewichtet werden dürfen. Grundsätzlich nimmt die Lawinen-Auslösewahrscheinlichkeit mit zunehmender Zusatzbelastung zu. Mit grösserer Zusatzbelastung gibt es also mehr Auslösestellen als mit kleinerer Zusatzbelastung. Zudem gilt es folgende Punkte zu beachten:

Grösse der Belastung

Je nach Person, Fahrstil und Verhältnissen wird die Schneedecke unterschiedlich stark belastet: auf der Abfahrt oft mehr als im Aufstieg und mit aggressivem Kurzschwingen oder Sprüngen höher als mit grossen Schwüngen.             

Punkförmige oder flächige Belastung

Eine Schneebrettlawine kann ausgelöst werden, wenn eine Schwachschicht in einem genügend grossen Bereich bricht (Initialbruch). Eine punktförmige Belastung (Fussgänger) kann tiefer in der Schneedecke noch zu einem Bruch führen, aber auf einer kleineren Fläche, so dass es unter Umständen nicht zur Bruchausbreitung kommt. Dies gilt besonders, wenn  der Fussgänger tief in den Schnee einsinkt. Die Belastung durch einen Fussgänger kann damit, je nach Schneedecke, gefährlicher oder auch harmloser sein als die grossflächigere Belastung durch einen Schneeschuhgeher oder einen Skifahrer.

Entlastungsabstände

Entlastungsabstände sollen verhindern, dass sich die Belastungen verschiedener Personen überlagern. Mit zunehmender Tiefe verteilt sich die durch eine Person ausgeübte Zusatzbelastung auf eine immer grössere Fläche. Damit nimmt die Zusatzbelastung pro Fläche ab, je tiefer die Schwachschicht und je härter das Schneebrett, desto mehr. Für die typische Tiefe von Schwachschichten bei Skifahrerlawinen ist die Fläche, auf welcher die Zusatzbelastung gross genug ist, um einen Bruch zu initiieren, meist weniger als ein Quadratmeter gross. Der Einflussbereich beschränkt sich also auf die unmittelbare Umgebung des Wintersportlers. Die Einflussbereiche von hintereinander aufsteigenden Skitourengehern überlagern sich somit meist nicht und Entlastungsabstände reduzieren die Auslösewahrscheinlichkeit nur wenig. Weil Entlastungsabstände aber vor allem auch helfen, das Risiko mehrerer Verschütteter zu verringern, sind sie trotzdem eine sinnvolle Massnahme.

Weitere Einflüsse auf die Gefahrenstufe

Die Gefahrenstufe hängt nicht nur von der zur Auslösung nötigen Belastung ab, sondern vor allem von der Häufigkeit der Stellen, wo eine Lawinenauslösung möglich ist, und der Lawinengrösse. Sind z.B. nur einige wenige Stellen mit sehr schwacher Schneedeckenstabilität vorhanden oder nur kleine Lawinen zu erwarten, wird die Gefahr unter Umständen auch dann mit Stufe 2 (mässig) eingestuft, wenn eine kleine Zusatzbelastung zur Auslösung genügt (siehe auch «kleine, leicht auslösbare Triebschneeansammlungen» im Kapitel «Gefahrenstufen»).