Künstliche Intelligenz für die Lawinenwarnung

15.06.2022  |  Birgit Ottmer  |  News SLF

Es sind auch in Zukunft menschliche Expertinnen und Experten, die das Lawinenbulletin erstellen. Aber die anhand von Wetter- und Messdaten erstellte Einschätzung des Computers ist eine wertvolle «Zweitmeinung».

Seit dem vergangenen Winter (2021/22) verwendet der Lawinenwarndienst in seiner operativen Arbeit auch Einschätzungen der Lawinengefahr, die der Computer mit künstlicher Intelligenz anhand von Mess- und Wetterdaten erstellt. Wie das Modell die Lawinengefahrenstufe prognostiziert, ist im DIAGONAL 1/22 oder ganz genau in einem kürzlich in der Zeitschrift Natural Hazards and Earth System Science veröffentlichten wissenschaftlichen Paper beschrieben.

Um ein Lawinenbulletin zu erstellen, sind am SLF drei Lawinenwarnerinnen oder Lawinenwarner im Einsatz. Am Vormittag sammeln sie Informationen: Wie hat sich das Wetter entwickelt? Wie lauten die Prognosen? Was melden die Beobachter, welche Rückmeldungen kommen von Bergführerinnen und Skitourengehern? Alle drei schätzen unabhängig voneinander ein, in welchem Gebiet welche Gefahrenstufe herrscht und welche Geländeteile besonders betroffen sind – und entwickeln damit eine Prognose für den nächsten Tag. Im täglichen Briefing um 15 Uhr konsolidieren sie ihre Einschätzungen (mehr Details).

Seit diesem Winter wird danach die auf künstlicher Intelligenz basierende Einschätzung des Computers beigezogen. Sehr oft deckt sich seine Prognose mit derjenigen der Menschen. Manchmal gibt es aber Abweichungen. Lawinenwarner Frank Techel: «Der Computer wertet die Daten anders aus als wir Menschen. Daher kommt er manchmal auch zu einem etwas anderen Ergebnis». Techel und seine Kollegen nehmen eine abweichende «Meinung» des Computers als Anlass, ihre konsolidierte Einschätzung nochmals kritisch zu prüfen – und allenfalls anzupassen. «Ja, das gab es», berichtet er, «besonders für die genaue geografische Abgrenzung unterschiedlicher Gefahrenstufen ist die Computerprognose eine echte Hilfe». Darum werden die Lawinenwarnerinnen das Modell auch zukünftig nutzen.

Das diesen Winter eingesetzte Computermodell eignet sich nur für trockene Lawinen. Die Forscherinnen und Forscher des SLF haben aber auch weitergearbeitet: Es liegen nun auch – auf denselben Methoden des maschinellen Lernens beruhende – Modelle für Nassschneelawinen und für die Stabilität der Schneedecke vor. Im kommenden Winter werden auch sie operativ getestet.

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