Wochenbericht 04. - 10. Januar 2019

Viel Neuschnee im Norden und im Osten, zeitweise grosse Lawinengefahr

Bei kalten Temperaturen fiel zunächst im Osten, später auch im Norden häufig Schnee bis in tiefe Lagen. Von Samstag bis Donnerstag wurden am zentralen und östlichen Alpennordhang sowie in Nordbünden Neuschneesummen von 100 bis 150 cm registriert. Der viele Neuschnee und starke bis stürmische Winde aus nördlichen Richtungen führten zu einer kritischen Lawinensituation. Nebst etlichen Lawinenauslösungen durch Personen wurden auch einzelne Grosslawinen gemeldet. Im Westen und Süden war die Lawinensituation weniger angespannt. Die Gefahr stieg erst gegen Ende der Wochenberichtsperiode im Westen an.

 

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Beeindruckende Schneebrettlawine in der Zentralschweiz: Am Sonntag, 06.01., ging am First des 1914 m hohen Sisiger Spitz (Muotathal, SZ) auf etwa 1800 m diese grosse Schneebrettlawine spontan ab. Die Schwachschicht war eine kantig aufgebaute Schneeschicht oberhalb der Regenkruste aus der Weihnachtszeit. Als die Zusatzlast des Neuschnees gross genug war, brach diese Schicht am 35° steilen Nordhang auf einer Länge von etwa 200 m durch, worauf die Lawine abging (Foto: T. Strüby).
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Bereits letzte Woche herrschte verbreitet eine heikle Lawinensituation. Diese beeindruckend grossflächige Schneebrettlawine wurde am Donnerstag, 03.01., von Skitourengehern auf der Südseite des Erezberg (2614 m) oberhalb von Davos Monstein fernausgelöst. Während die Gruppe sich auf etwa 2510 m befand, löste sich das Schneebrett gute 50 Höhenmeter höher an einem triebschneegefüllten Steilhang. Nicht zuletzt dank der grossen Abstände zwischen den Tourengehern verlief dieser Zwischenfall glimpflich (Foto: anonym).
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Andere Welt im Tessin... Beim Abstieg von der 1869 m hohen Cima della Trosa liess der Nordföhn am Freitag, 04.01., den Blick bis zu den Walliser 4000er schweifen. Die gleiche Wetterlage, welche den Norden und Osten mit Schnee eindeckte, war auch für den Schneemangel auf der Alpensüdseite verantwortlich (Foto: M. Steiger).
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Ganz anders sah es in der Nordostschweiz aus: Der mit der Nordwest-Staulage gekommene Pulverschnee erfreute die Wintersportler bei vorsichtiger Routenwahl, wie hier auf der Alp Plisa an den Osthängen des 2260 m hohen Chäserrugg im Toggenburg (Foto: P. Diener, 04.01.2019).
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Die feuchtkalte Luft hat in der Nacht auf Samstag, 05.01., in Vals diese wunderschönen Eisblumen ans Fenster eines leerstehenden Kuhstalls gezaubert (Foto: U. Berni).
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Das südliche Oberengadin hat bis am Sonntag, 06.01., nicht von den starken Schneefällen profitieren können. Der Blick von Sils im Engadin / Segl an die Südostseite des 2972 m hohen Piz Mez offenbarte eine eher karge Schneesituation. Dass es dennoch kalt gewesen ist, beweisen die Eisfälle am Felsriegel unten rechts (Foto: J.A. Bisaz).
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Spezielles Phänomen im Berner Oberland: Obwohl in den letzten Tagen kein Regen gefallen ist, konnte man am Sonntag, 06.01., von 1800 bis über 2600 m Höhe diese Bruchharst-ähnliche Eiskruste beobachten, welche Skitouren deutlich erschwerte. Diese war vermutlich auf die Ablagerung unterkühlter Wassertröpfchen aus dichtem Nebel zurückzuführen. Ähnliche Beobachtungen wurden auch aus der Zentralschweiz im Titlisgebiet gemeldet (Foto: R. Fischer).
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In Zuoz im Oberengadin ist am Montag, 07.01., trotz der kalten Temperaturen eine Gleitschneelawine auf über 2500 m am Südosthang des Botta Cuolm (2858m) abgegangen. Der frühe Schnee Ende Herbst hat einen verhältnismässig warmen Boden überdeckt und so gut isoliert, sodass dieser offensichtlich noch immer die unteren Schneeschichten zu erwärmen vermag (A. Möckli).
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Im Gotthardgebiet, hier am Passo della Manió (2712 m, Bedretto, TI) zwischen Obergoms und Bedrettotal, liessen sich die bizarren Eisformationen mit dem Wetter erklären. Feuchte, kalte Luft wehte mit dem Nordwind von links nach rechts und lagerte an noch kälteren Oberflächen schöne Raueis-Kristalle ab (Foto: A. Stella, 07.01.2019).
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Für diese weissen Christbäume am Chimmispitz (1813 m) über Landquart war wohl das gleiche Phänomen der Raueis-Bildung verantwortlich. Auffällig ist, dass in den tieferen, weniger kammnahen Lagen deutlich weniger solche Formationen in den Tannen hingen (Foto: T. Wälti, 07.01.2019).
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Deswegen steht dort eine Galerie... Oberhalb der Albula-Linie wurde am Montagnachmittag, 07.01., an den Westhängen des Piz Muot auf rund 2100 m Höhe aus dem Helikopter gesprengt. Eine solche Sprengladung löste im sehr steilen Gelände eine grosse Lockerschneelawine aus, welche fast 1 km weit ins Tal der Albula/Alvra donnerte. Lockerschneelawinen lösen sich im Vergleich zu Schneebrettlawinen punktförmig (Foto: U. Fliri).
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Mehr als nur ein schönes Panorama. Diese Webcam-Aufnahme auf dem 2502 m hohen Säntis zeigt bei genauerer Betrachtung einen beachtlichen Anriss einer Schneebrettlawine, welche wohl am selben Morgen oder am bedeckten Vortag in Richtung Ober Alpli-Kessel (Wildhaus - Alt St.Johann) abgegangen ist. Am rechten Bildrand lässt sich der Riss gut über mehrere Felsstufen weiter verfolgen (Foto: Säntis Schwebebahn AG, 07.01.2019).

Wetter, Schneedecke, Lawinen

Freitag, 04.01. bis Sonntag, 06.01.: Starkschneefall im Osten

Am Freitag war es vorübergehend trocken. Im Osten war es teils bewölkt, im Westen und Süden meist sonnig. Die Mittagstemperaturen auf 2000 m lagen bei tiefen -10 °C im Osten, bei -5 °C in den übrigen Gebieten. Der zeitweise stürmische Nordwind konnte vor allem noch in den neuschneereichen Gebieten am zentralen und östlichen Alpennordhang und in Nordbünden Schnee verfrachten (vgl. Abbildung 1).

Dabei entstanden kleine bis mittlere Triebschneeansammlungen. Störanfällig waren aber nach wie vor auch die verschiedenen Neu- und Triebschneeschichten der vergangenen Tage, welche in denselben Gebieten am mächtigsten waren (vgl. Abbildung 2).

In den übrigen Gebieten waren die neueren Triebschneeansammlungen zwar dünner und kleinräumiger, aber stellenweise nicht minder störanfällig (vgl. Abbildung 3).

Ganz im Süden sah die Situation deutlich anders aus. An der Cima della Trosa (1861 m, Mergoscia, TI) lag kaum mehr Schnee. Damit bestand auch kaum Lawinengefahr (vgl. Abbildung 4).

Von Samstagmorgen bis Sonntagnachmittag schneite es erneut beträchtlich bis in tiefe Lagen (vgl. Abbildung 5). Am nördlichen Alpenkamm, am Alpenhauptkamm und allgemein in Graubünden blies weiterhin ein zeitweise stürmischer Nordwind. Die Lawinengefahr wurde in den Hauptniederschlagsgebieten verbreitet als ‚gross‘ (Stufe 4) eingeschätzt (siehe auch Gefahrenentwicklung ganz unten).

Nach diesem Schneefall wurden in den Hauptniederschlagsgebieten auch einige Lawinen unterhalb der Waldgrenze beobachtet (vgl. Abbildung 6). Für die Auslösung dieser Lawinen war wahrscheinlich eingeschneiter Oberflächenreif verantwortlich welcher in den windgeschützten Waldbereichen erhalten blieb und eingeschneit wurde. Ein solcher Oberflächenreif konnte im Raum Davos auch in Schneeprofilen gefunden werden (vgl. Abbildung 7).

Montag, 07.01.: ziemlich sonnig

Im Wallis und am Alpensüdhang war es meist, im Westen ziemlich sonnig. Im Osten klarte es in den Bergen tagsüber auf. Vorübergehend liess der Wind nach und blies noch schwach bis mässig aus nördlichen Richtungen. Die Mittagstemperaturen auf 2000 m lagen im Westen und Süden um den Gefrierpunkt, im Osten bei -6 °C. Das schöne Wetter lockte viele Personen in den Pulverschnee. Dabei wurden auch einige Lawinen ausgelöst (siehe Lawinenunfälle unten). Es konnten aber auch Lawinenabgänge der letzten Tage beobachtet werden (siehe Bildstrecke oben, Bild 1).

 

Dienstag, 08.01. bis Donnerstag, 10.01.: Nordstaulage mit viel Neuschnee am Alpennordhang

In der Nacht auf Dienstag setzte aus Norden erneut Schneefall ein, welcher im Nordosten bis Donnerstag anhielt. Die Schneefallgrenze lag vorübergehend bei 1000 m. Am Mittwoch und Donnerstag schneite es wieder bis in die Niederungen, wobei am Donnerstag tagsüber in den Bergen nur noch wenig Schnee fiel. Von Dienstag bis Donnerstag kamen in Summe erneut beträchtliche Neuschneemengen zusammen (vgl. Abbildung 8). Der starke und zeitweise stürmische Nordwestwind verfrachtete den Neuschnee in der Höhe intensiv.

Als Folge dieser Schneefälle wurde die Lawinengefahr im Norden und Osten zum zweiten Mal in dieser Wochenberichtsperiode verbreitet als ‚gross‘ (Stufe 4) eingestuft (siehe Gefahrenentwicklung ganz unten). Am Mittwoch und Donnerstag wurden aus Engelberg und dem Kanton Glarus einige, vermutlich sehr grosse Lawinen gemeldet, welche teils auch Äste mit sich führten. Leider gab es bis Redaktionsschluss noch keine Bilder davon.

Schneelage

Am Ende dieser Wochenberichtsperiode lagen oberhalb von rund 2000 m in den östlichen Berner Alpen, am zentralen und östlichen Alpennordhang sowie in Nordbünden und in Teilen des Gotthardgebiets verbreitet 120 bis 200 cm Schnee, in der Zentralschweiz gebietsweise auch mehr als 200 cm. Gegen Westen und Süden lag noch deutlich weniger Schnee. (siehe auch Schneehöhe auf 2000 m).

Vergleicht man die Schneehöhen mit dem langjährigen Durchschnitt, so sind diese unterhalb von 2000 m vor allem im Wallis, im Tessin und in Südbünden unterdurchschnittlich. Im Nordosten liegen sie mit den Schneefällen dieser Woche deutlich über dem Durchschnitt (vgl. Abbildung 9/1). Oberhalb von 2000 m präsentierte sich ein etwas anderes Bild. Dort entsprachen die Schneehöhen verbreitet dem Durchschnitt, in den neuschneereichen Gebieten des Nordens und Ostens lagen sie aber auch in diesen Höhenlagen deutlich darüber. Ebenfalls deutlich über dem Durchschnitt lagen sie im Simplongebiet, dort allerdings immer noch als Folge der Niederschläge vom Oktober und November (vgl. Abbildung 9/2).

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Abb. 9/1: Schneehöhen im Vergleich zum langjährigen Mittel, dargestellt in Prozent. Auf der Karte sind alle Stationen zwischen 1000 und 2000 m dargestellt. Dabei handelt es sich meist um manuelle Messfelder mit langen Messreihen. Unterdurchschnittlich waren die Schneehöhen in diesen Höhenlagen vor allem noch im südlichen Wallis, im Tessin und in Südbünden.
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Abb. 9/2: Schneehöhen im Vergleich zum langjährigen Mittel, dargestellt in Prozent. Auf der Karte sind alle Stationen oberhalb von 2000 m dargestellt. Dabei handelt es sich meist um automatische Messstationen. Die Schneehöhen entsprachen verbreitet dem Durchschnitt und waren im Nordosten und im Simplongebiet sogar stark überdurchschnittlich. Die Daten der automatischen Stationen sind nicht kontrolliert und korrigiert. Zudem ist zu beachten, dass die meisten automatischen Stationen seit weniger als 20 Jahren existieren.

Lawinenunfälle und Schadenlawinen

In dieser Wochenberichtsperiode wurden dem Lawinenwarndienst sechs Lawinen mit Personenbeteiligung gemeldet. Dabei wurden sieben Personen mitgerissen. Glücklicherweise wurde niemand ganz verschüttet oder verletzt.

Am Donnerstagabend löste sich am Säntis (2502 m, Hundwil, AR) eine extrem grosse Staublawine und stiess bis zur Schwägalp vor, wo sie das Hotel, ein weiteres Gebäude und die Talstation der Säntisbahn erfasste. Die Anrissbreite betrug rund 1.5 km, die Ablagerungsbreite ca. 300 m. Drei Personen wurden verletzt. In der Schadenlawinendatenbank des SLF sind drei weitere, ähnlich grosse Ereignisse bekannt: 27.01.1942, 29.04.1965, 28.12.1986.

 

Gefahrenentwicklung

Lawinenbulletins dieser Zeitperiode im Überblick.

 

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