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21.02.2018 News | Antarktis-Blog
Matthias Jaggi ist beruhigt, dass seine Proben vollständig und unversehrt auf dem Schiff angekommen sind. Nachdem alle Passagiere ein Sicherheitstraining absolviert haben, legt die L’Astrolabe nach Tasmanien ab.










Letzten Samstag ging plötzlich das Gerücht um, dass beim Transport des Forschungsmaterials nach Dumont d’Urville (DDU), Proben verloren gegangen wären. Offensichtlich wurden die Styroporkisten nicht mit der nötigen Sorgfalt für den Helikoptertransport von der antarktischen Küste zum Schiff vorbereitet. Mit dem wissenschaftlichen Koordinator bin ich dann einige Stunden vor der Abfahrt auf das Schiff gegangen und wir haben eine Art Schadensrapport erstellt. Einige Kisten waren ziemlich demoliert, ein paar Eisbohrkerne waren aus den Kisten gefallen und viele Adressschilder abgerissen. Zwei Kisten blieben ohne Adressat und eine Kiste fehlte. Ein solcher Zwischenfall ist verständlicherweise sehr ärgerlich und zeigt, dass man seine Proben übertrieben gut anschreiben und einpacken muss. Ich kann Holz anfassen, denn meine fünf Kisten sahen noch intakt aus.
Kurz nach dem Mittagessen auf DDU wurden die rund 35 Personen per Helikopter auf das Schiff, die L’Astrolabe, welche auch ein Eisbrecher ist, geflogen. Die neue L’Astrolabe ist sehr komfortabel. Die 4er Kajüten sind sehr geräumig und direkt über dem Frachtraum angesiedelt, also weit unten im Schiff, wo sich beim Wellengang alles weniger stark bewegt. So müssen die zahlreichen Nicht-Seebären etwas weniger leiden.
Vor der Abfahrt fand das Sicherheitstraining statt. Für jeden Passagier gibt es nicht nur eine Schwimmweste, sondern auch einen Überlebensanzug. Im Falle einer Evakuation muss man möglichst warm angezogen in diesen Anzug schlüpfen und sich dann in das orange fensterlose Rettungsboot setzen. Das durften wir alles üben. Zudem verteilte der Schiffsarzt Pflaster, die einen Wirkstoff gegen Seekrankheit enthalten. Im Gegensatz zum künstlichen Sauerstoff im Flieger (siehe mein erster Blogbeitrag), folgten diesmal fast alle dem Rat und klebten sich einen solchen Patch hinter das Ohr.
Fantastische Aussicht von der Kommandobrücke
Erfreulicherweise durften wir uns während der Fahrt auf der Kommandobrücke aufhalten, was einen wunderbaren Weitblick über das Meer erlaubte. Die ersten Stunden der Überfahrt waren natürlich die interessantesten. Beim Verlassen der Küstenregion sahen wir die letzten Pinguine und Robben. Dann folgte eine Zone mit Meereis. Das Krachen und das Wegdrücken der durch das Schiff gebrochenen Eisplatten waren extrem eindrücklich, und wenn man das noch nie miterlebt hat, ein unglaubliches Erlebnis. Man stand draussen und fotografierte, was das Zeugs hält, bis man zähneklappernd kapitulieren musste. Dann folgte eine Zone, wo das Meereis weniger wird und noch Eisberge schwimmen, gefolgt vom dem nicht weniger eindrücklichen und offenen Meer. Ich habe viele Stunden auf der Kommandobrücke verbracht und einfach aus dem Fenster geschaut, das Brechen der Wellen studiert, die erstaunlich vielen Albatrosse beobachtet oder einfach vor mich hingeträumt.
Die Wetterprognosen waren ja nicht gerade vielversprechend. Wind und Wellen waren vorherrschend, aber der wirklich grosse Sturm blieb zum Glück aus. Trotzdem ist das eine oder andere Mal ein Tablett mit Essen durch die Luft geflogen. Geschaukelt hat es schon. Glücklicherweise haben bei mir die Medikamente gut gewirkt und ich bin von der Seekrankheit verschont geblieben.
Zurück im „normalen“ Leben
Nach fünf Tagen war Land in Sicht. Wir näherten uns langsam Tasmanien und draussen roch der Wind nach Eukalyptus – welch herrlicher Duft. Ein Leitboot führte die L’Astrolabe in den Hafen. Einreise- und Passkontrolle fanden auf dem Schiff statt. Das Verlassen des Schiffes war für mich ein ziemlich merkwürdiges Gefühl. Obwohl mir der Aufenthalt in der Antarktis sehr gut gefallen hat, mich die Natur immer wieder zutiefst berührt hat und ich das Erlebte keinesfalls missen möchte, stelle ich mir vor, dass es sich etwa so anfühlen muss wie bei einer Entlassung aus dem Knast. Ich befinde mich wieder im „normalen“ Leben.