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04.01.2018 | News
Es gibt auch angenehme Aspekte am Leben auf einer Forschungsstation mitten im antarktischen Eis. Die Sauna zum Beispiel, in der man sich nach der Arbeit entspannen kann. Oder das Festessen, das die beiden Stationsköche zu Weihnachten kreiert haben. Wobei das für einen Schweizer Magen doch etwas gewöhnungsbedürftig war…








Weihnachten und Silvester werden natürlich auch in der Antarktis
gefeiert. Es gibt eigentlich keinen Grund, diese Feste auszulassen.
Weil der «fragile Schweizer», wie mich die Italiener genannt haben, nun
wieder gesund war und der Stationsarzt sozusagen nichts zu tun hatte,
schlurfte er im Samichlaus-Kostüm herum und schmückte den
Weihnachtsbaum. Die beiden Köche wüteten in der Küche. Entstanden sind
üppige Festmahlzeiten. Andere Kulturen, anderes Essen. Das
Apéro-Buffet war nicht gerade das «Bergler»-Buffet: frittierte
Froschschenkel, Schnecken, Muscheln, Krabben und andere Spezialitäten.
Ich glaube, die Kälte draussen und der damit verbundene Hunger haben mir
in diesem Fall geholfen, den Schritt zu wagen und zu probieren. Beide Abende,
Weihnachten und Silvester wurden sehr gesellig und unterhaltsam.
Im T-Shirt bei -24 °C
An den Wochenenden wird auch die Container-Sauna eingeheizt. Das ist
sehr gemütlich und man kann gut entspannen. In der Sauna zeigt das
Thermometer 100°C, draussen herrschen -40°C. Der Temperaturunterschied
tönt nach sehr viel, aber da die Luftfeuchtigkeit wirklich sehr tief
ist, empfindet man weder die Hitze noch die Kälte als unangenehm.
Silvester war ein ausserordentlich schöner Tag. Der Himmel war
wolkenlos, es war windstill und nur -24°C. Hätte es eine
Sonnenterrasse gegeben, so wäre diese rammelvoll gewesen. Es war im
wahrsten Sinne des Wortes T-Shirt-Wetter - oder sogar noch weniger:
Wer sich nicht «oben ohne» neben seinen Messinstrumenten ablichten
liess, war schon fast ein Exot. So, nun habe ich aber genug der antarktischen
Intimitäten ausgeplaudert.
Die Experimente laufen nach Plan
Meine Laborexperimente konnte ich erfolgreich starten. Jeder der vier
Schneeblöcke «brütet» nun in einer Metamorphosebox zwischen zwei
Heizplatten. Heizen heisst in dem Fall, die Blöcke von Umgebungstemperatur, welche
bei circa -50°C liegt, auf Temperaturen zwischen -40°C und
-25°C zu bringen. Einer der Schneeblöcke soll ja identische
Temperaturbedingungen wie draussen im Schneeprofil erfahren. Eine Messstation liefert aus
verschiedenen Tiefen der Schneedecke die Schneetemperatur. Von
dieser Station kriege ich täglich eine automatisch generierte
Temperaturtabelle und kann aufgrund von dieser die Temperaturen bei den Schneeblöcken in den Boxen
anpassen. Das bedeutet, mit dem Laptop vor Ort
die Verbindung zum Temperatur-Controller aufzubauen, den neuen Temperaturwert
einzugeben, die Werte wieder zurück auf den Controller zu laden und die Kabel auf den
nächsten Controller umzustöpseln – und das insgesamt acht mal. Das kriege
ich bereits in 4 Minuten und 25 Sekunden hin. Da die Bedienung des Laptops
nur mit sehr dünnen Handschuhen möglich ist, zählt jede Sekunde.
Zweimal täglich Pasta reicht nicht
Um die strukturellen Änderungen der Schneedecke mitverfolgen zu
können, mache ich täglich sogenannte SnowMicroPen-Messungen auf meinem
Versuchsfeld. Das SnowMicroPen misst mit sehr hoher örtlicher
Auflösung den Eindringwiderstand in den Schnee und liefert so Informationen über den
Zustand der Schneedecke, ähnlich einem konventionellen Schneeprofil. Da
es im Profil sehr harte Schichten gibt, muss ich das Gerät mit vollem
Körpereinsatz gegen die Schneeoberfläche pressen. Trotz
zweimal täglich Pasta mampfen reicht meine Masse nicht immer aus: Anstatt dass ich
das Gerät nach unten drücke, drückt es mich nach oben. Dann heisst es, die Messung
möglichst schnell abzubrechen, um den piezoelektrischen, sehr
sensitiven Kraftsensor zu schützen.
Nachts wird es nicht dunkel
Ich hatte die Gelegenheit, bei einem 4 Meter tiefen Profil mitzuhelfen.
Ziel war es, die chemische Zusammensetzung beziehungsweis bestimmte chemische
Elemente oder Verbindungen in der Schneedecke nachzuweisen. Dazu
wurde alle 3 Zentimeter ein Plastikröhrchen in die Schneedecke gestossen oder
gehämmert. Danach wurden alle Röhrchen sorgfältig entnommen,
zugeschraubt, beschriftet und verpackt. Das war eine ziemliche
Knochenarbeit. Da es aber 24 Stunden hell ist, kann man trotz Überstunden
nicht in die Nacht hineinarbeiten.
Heute habe ich meinen Platz im Flieger für die Rückreise
freigegeben. Das bedeutet, dass ich nicht wie auf der Anreise über
Wilkins zurückfliege, sondern über die Küste (Dumont-d’Urville-Station)
reisen werde. Das hat den Vorteil, dass ich fast eine Woche länger hier auf
der Station Dome C bin und mein Experiment entsprechend länger laufen kann.
Es hat aber auch den persönlichen Vorteil, dass ich noch die
antarktische Küste sehen und vielleicht mit dem einen oder anderen
Pinguin Bekanntschaft machen kann. Von Dumont-d’Urville wird mich
dann ein Schiff in fünf Tagen zurück nach Hobart auf Tasmanien bringen.