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28.12.2017 | News
Nachdem sich Matthias Jaggi von einigen gesundheitlichen Start-Schwierigkeiten erholt hat, konnte er seine eigentliche Arbeit in Angriff nehmen. Forschen bei minus 50 °C will gut geplant sein: von ersten Versuchen im Feld und den Vorbereitungen im Labor berichtet er in diesem Teil seines Blogs.










Leider ist mein Start auf Dome C nicht ganz so geglückt, wie ich es mir erhofft hatte. Aus den zwei Tagen wurden acht Tage verschriebener Hausarrest. Meine Sauerstoffsättigung im Blut war sehr tief, der Ruhepuls entsprechend hoch und bei der kleinsten Anstrengung habe ich aus allen Löchern gepfiffen. Mindestens zweimal am Tag habe ich zusätzlich Sauerstoff bekommen, bzw. Sauerstoff zusammen mit irgend einem Medikamentenmix. Was der Mix des italienischen Stationsarztes alles beinhaltet hat, kann ich nicht genau sagen, da mein Italienisch aus nicht viel mehr Wörtern als "Buongiorno" und "Pasta" besteht, aber es geht mir jetzt viel, viel besser.
Feldtage mit besonderen Herausforderungen
Mit fast zwei Wochen Verzögerung habe ich nun meine Arbeit in Angriff genommen. Nach dem ersten Tag im Feld oder besser gesagt im Schneeloch, habe ich bereits einen "Bürotag" eingelegt, mit dem Ziel, die Abläufe besser zu planen. In der grössten Kältekammer der Erde läuft es nämlich ein bisschen anders ab als in der Institutskältekammer in Davos. Weil ich in einer sogenannten "sauberen" Zone arbeite, muss ich meine ganzen Gerätschaften mit einem Schlitten und nicht wie üblich mit dem Skidoo antransportieren. Wann bringe ich also welches Gerät zum Profil, damit die Batterien wegen der Kälte nicht bereits leer sind, wenn ich es brauche? Was mache ich, wenn mir vor lauter Schwitzen beim Schaufeln immer die Sonnenbrille anläuft, die ich nicht ausziehen sollte? Viele kleine Erschwernisse über die sich ein bisschen Nachdenken lohnt.
Die Schnee-Mikrostruktur und die Wasserisotope bestimmen
Das Hauptziel unseres Experimentes wäre ja, dass wir den Einfluss der Schneemetamorphose auf die Verteilung der stabilen Wasserisotope 18O in den oberflächennahen Schneeschichten bestimmen können. Kurz gesagt: wir bestimmen die Isotopenkonzentration 18O und die "dazugehörige" Schnee-Mikrostruktur im Schneeprofil. Weniger im Winter, aber umso mehr bei den höheren Temperaturen im Sommer verändert sich die Schnee-Mikrostruktur, d.h. die Schneekristalle verändern sich. Jeder weiss - Neuschnee bleibt nicht Neuschnee, wenn es zu warm ist. Bei der Schneemetamorphose werden auch die 18O Isotope umgelagert und genau diese Umlagerung wollen wir verstehen.
Ich bestimme also die 18O Verteilung und die Mikrostruktur zu Beginn des antarktischen Sommers und am Ende. Weil die Prozesse in der Natur aber oft sehr komplex sind und nicht nur von einem Faktor abhängen, sondern von vielen, entnehmen wir dem Profil Schneeblöcke und packen diese in selbstgebaute Kisten und lassen die Schneemetamorphose unter vereinfachten Bedingungen parallel im Labor laufen.
Für die Bestimmung der Isotopenkonzentration befülle ich Plastikröhrchen mit Schnee aus dem Profil alle 3 cm, welche zu einem späteren Zeitpunkt ausgewertet werden. Das ist recht simpel. Für die Bestimmung der Mikrostruktur gibt es dagegen verschiedene und sich zum Teil ergänzende Methoden. Charakteristische Grössen sind beispielsweise Korngrössen, Dichte, spezifische Oberfläche der Struktur, Bruchkräfte zwischen Strukturelementen und so weiter. Man arbeitet sich also von oben nach unten durch das Profil durch und charakterisiert so die Schneedecke.
Mystisches Labor
Für das Profilen und das Einpacken der Schneeblöcke habe ich vier Tage gebraucht. Ehrlich gesagt, hatte ich dafür einen Tag eingerechnet gehabt. Alles braucht hier mehr Zeit. Doch nun stehen die Schneeblöcke im -49 °C kalten Labor bereit und das Experiment kann so bald wie möglich gestartet werden. Das Labor sieht wahrscheinlich nicht ganz so aus, wie man sich das vorstellt. Es ist eine Art unterirdische Höhle, wo früher Eiskerne gebohrt wurden. Nun dient es im antarktischen Winter als Garage für sämtliche Fahrzeuge, im Sommer dient es als Probenlagerraum und in diesem Fall als Labor für unser Experiment. Licht gibt es nur indirekt vom Eingang her. An der Decke hängen riesige Eiskristalle. Etwas mystisch ist es schon. Zur eigenen Sicherheit meldet man sich vor dem Betreten des Labors per Funk auf der Station an.
Weihnachten
Das Weihnachtsgeschenk an die Station war die Ankunft der Traverse. Die Traverse, ein Gespann aus massiven Raupenfahrzeugen, Containern und vor allem Sprit, versorgt die Station mit dem Notwendigen. Per Schiff werden die Rohstoffe von Tasmanien zur französischen Station Dumont d'Urville gebracht und von dort per Traverse in doppeltem Schritttempo nach Dome C gekarrt. Das sind rund 700 km Distanz im ewigen Weiss, entsprechend ist die Ankunft ein ziemlich freudiges Ereignis. Mit dem Eintreffen der Traverse ist der Betrieb der Station für den Winter gesichert.