Hochauflösendes Lawinen-Radar

Sowohl für die Auslegung von Schutzmassnahmen wie auch für das Erstellen von Gefahrenkarten ist es entscheidend, die Dynamik von Lawinen genau zu verstehen. Dies ist aber bis heute nur beschränkt möglich, weil genaue Daten fehlen, da es bis anhin nicht möglich war, die Dynamik von grossen Lawinen mit genügender räumlicher und zeitlicher Auflösung zu untersuchen. In diesem vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projekt wird ein sogenanntes frequenzmoduliertes Dauerstrichradar mit einer phasengesteuerten Gruppenantenne eingesetzt. Das neue Radar mit der Bezeichnung GEODAR (Geophysical Flow Dynamics Using Pulsed Doppler Radar) kann durch die Staubwolke hindurch die dichteren Fliessanteile der Lawinen mit einer Auflösung von 0.75 m bei 100 Hz abbilden.

Das Ziel dieses Projekts ist es, die Dynamik von gemischten Lawinen zu untersuchen. Dazu wird dieses moderne gepulste Doppler Radar eingesetzt, das eine hochaufgelöste Abbildung des dichten Fliessanteils der Lawine ermöglicht. Das Instrument bietet stark verbesserte Abbildungsmöglichkeiten, die deutlich über die bisher bekannten Möglichkeiten hinausgehen. Es ist daher zu erwarten, dass damit neue Erkenntnisse über die Fliessdynamik von Lawinen gewonnen werden können. Dadurch können Modelle für die Simulation von Lawinen - zum Beispiel RAMMS - verbessert werden.
Das eingesetzte Instrument hat gegenüber herkömmlichen Radaren eine um Grössenordnungen verbesserte Distanzauflösung. Die Auflösung in Hangrichtung ist ca. 0.75 m gegenüber 25 - 50 m bei früheren Instrumenten. Die Messungen können daher direkt verglichen werden mit Messungen von andern Sensonren im Lawinen-Testgelände Vallée de la Sionne, wo das GEODAR-Instrument zurzeit installiert ist.

Dank der Qualität der Radardaten und der Verbindung mit anderen Messdaten aus dem Testgelände Vallée de la Sionne wie Luftdruck, Geschwindigkeit, Diche und Fliesshöhe erwarten wir Beiträge zu einem vertieften Verständnis von Lawinen. Diese Erkenntisse sind auch auf andere Massenbewegungen wie zum Beispiel pyroklastische Ströme übertragbar, die ähnliche Fliesseigenschaften wie Lawinen besitzen. Dadurch dass mit dem neuen Radar auch Komponenten der Lawine dargestellt werden können, deren direkte Beobachtung wegen der Staubwolke unmöglich ist, erwarten wir wichtige Beiträge zur Validierung von bestehenden Theorien und zur Entwicklung von verbesserten Lawinenmodellen.

Dieses Projekt hat drei Hauptziele: Erstens die Verbesserung der Radarinstallation, um die Bedienung einfacher und robuster zu machen sowie die Auswertealgorithmen zu verbessern. Zweitens die Auswertung der Radardaten aus dem Testgelände Vallée de la Sionne, um in Kombination mit anderen Messdaten neue Erkenntnisse über die Dynamik von Lawinen zu gewinnen. Drittens das Testen von Fliessgesetzen, die die Bewegung der Lawine beschreiben.

Seit der ersten Installation 2010 wurde die Radar-Hardware laufend verbessert. So wurde zum Beispiel die Abtastrate verdoppelt, die Aufnahmezeit verdreifacht und die Instrumente wurden kalibriert. Im Jahr 2015 ersetzten wir das gesamte System durch ein neue Version, die allerdings unvorhergesehenerweise durch mehr elektronisches Rauschen als das bisherige System gestört wurde. Deshalb kehrten wir für die Saison 2016 wieder zum urprünglichen System zurück, rüsteten es aber zusätzlich mit Richtantennen aus, wodurch die Analyse von verschiedenen seitlich versetzten Vorgängen stark vereinfacht wird.

Dank verbesserter Auswertesoftware erhalten wir nun viel bessere Messergebnisse und insbesondere verbesserte MTI-Plots (Abb. 3). Unsere neuesten Resultate zeigen kleine "Surges" in der sogenannten "fluktuierenden Frontregion" der Lawine, welche nacheinander die Lawinenfront überholen und dadurch die Frontdynamik der Lawine beeinflussen (Köhler et al. 2016).

Das Radar wurde vom GEODAR-Konsortium konstruiert, welches vom British Natural and Environmental Research Council finanziert wird (Geophysical Flow Dynamics Using Pulsed Doppler Radar; http://www.geodar.net). Das laufende SNF-Projekt wird von Betty Sovilla geleitet. Es bestehen Zusammenarbeiten mit Prof. Jim McElwaine (Durham University), Prof. Christophe Ancey (EPFL), Prof. Paul Brennan (University College London) and Dr. Chris Keylock (University College London).

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Abb. 1: Der Bunker im Vallée de la Sionne mit der Sendeantenne (rechts) und den nebeneinander angeordneten Empfangsantennen (oben).
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Abb. 2: Für die Wintersaision 2016/2017 wurd ein neues System (GEODAR mark IV) installiert. Es besteht aus sieben Richtantennen, die auf einzelne Lawinenbahnen fokussieren, und einer Weitwinkelantenne, welche den ganzen Hang abdeckt. Diese Anordnung ermöglicht es die seitliche Position der einzelnen Lawinen genauer zu messen und damit das komplexe Zusammenspiel von verschiednen Lawinenfronten und Surges besser zu verstehen. Die neue Antennanordung ist an der Bunkerfront montiert (links) und mit der zugehörigen Elektronik im Inneren des Bunkers (rechts) verbunden.
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Abb. 3: Moving Target Indication (MTI) plot for one VDLS avalanche. The signal intensity indicates the change in radar reflectivity as a function of time and distance from the bunker: (a) three individual surges (front 1, front 2, front 3) move downhill over a 3 minute time span, (b) different surges within a front due to the 3D character, the surges may cross or merge in range, (c) roll-waves in the body of the avalanche two different velocities V = 28: 5m/s and V = 14: 0m/s [Vriend et al., 2012].

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