Grossflächige Gefahrenhinweiskartierung für Lawinen

Zur Berechnung und Visualisierung der potentiellen Gefährdung durch Lawinen haben Forschende des SLF ein Verfahren entwickelt, um Lawinenanrissgebiete automatisch und effizient auszuscheiden und haben es für zwei Gebiete in der Region Davos überprüft. Mit diesen Anrissgebieten können Lawinen und deren Auslaufbereiche mit der Simulationssoftware RAMMS berechnet werden. Die daraus erstellten Karten zeigen Gebiete, die potentiell durch Lawinen gefährdet sind. Diese Karten sind unter anderem eine grosse Hilfe bei der Planung neuer Infrastrukturen.

Im alpinen Raum ist es von besonderer Bedeutung zu wissen, welche Gebiete durch Schneelawinen gefährdet sind. In einigen Ländern, wie auch in der Schweiz, existieren Gefahrenkarten basierend auf Katasterinformationen, Klimadaten, Geländeanalysen und numerische Simulationen der Lawinendynamik. Der Prozess der Gefahrenkartierung durch erfahrene Experten ist zeitaufwändig und fachlich sehr anspruchsvoll. Darum ist die Gefahrenkartierung nur auf einzelne Lawinenzüge anwendbar, insbesondere solche, die Siedlungsgebiete und wichtige Infrastrukturen gefährden.

Gefahrenhinweiskarten hingegen sind weniger detailliert als Gefahrenkarten, können aber einen ersten grossräumigen, flächendeckenden Überblick über Naturgefahren auf der Grundlage numerischer Simulationen für grosse Gebiete geben. Dies ist insbesondere für Regionen mit spärlicher Ereignisdokumentation nützlich, wie es in den meisten Gebirgsregionen der Welt der Fall ist. Hochaufgelöste digitale Höhenmodelle, die mit Hilfe von modernen Fernerkundungsmethoden generiert werden, sind zunehmend auch für Gebirgsregionen verfügbar. So wird es möglich, aussagekräftige numerische Lawinensimulationen für ganze Gebirgszüge zu machen.

Um dynamische Lawinensimulationen mit modernster Simulationssoftware wie RAMMS durchführen zu können, ist eine genaue Identifizierung der Anrissgebiete und Anrisshöhen erforderlich. Das SLF entwickelte einen Algorithmus um auf Basis von Geländeparametern potentielle Lawinenanrissgebiete zu identifizieren. Der Algorithmus wurde anhand eines Referenzdatensatzes für zwei Gebiete in der Region Davos validiert (Bühler et al. 2018) und anschliesend auf den gesamten Kanton Graubünden und Liechtenstein angewendet (Bühler er al. 2022). Derzeit sind wir daran die Berechnungsmethode auf den Kanton Wallis anzuwenden.

Hat man die Anrissgebiete identifiziert und die entsprechenden Anrisshöhen berechnet, wird für jedes Anrisspolygon eine Simulation mit Reibungsparameter durchgeführt, die sich in der  Gefahrenkartierung bewährt haben. Das Verfahren kann für verschieden Szenarios, beispielsweise mit 5-30 Jahren (häufig) oder 100-300 Jahren (extrem) Wiederkehrperiode, durchgeführt werden. Dies ermöglicht eine effiziente, automatisierte Durchführung von dynamischen Lawinensimulationen, nicht nur für einzelne Lawinenzüge, sondern auch für grossflächige Anwendungen auf regionaler bis nationaler Ebene.

In mehreren Projekten mit Partnern wie dem Kanton Graubünden und Wallis, der Alaska Division of Geological & Geophysical Surveys oder der autonomen Provinz Trentino in Italien, wird dieser Ansatz angewendet, um grossräumige Gefahrenhinweiskarten zu erstellen, die beispielsweise die Abschätzung der Schutzfunktion von Wäldern gegen Schneelawinen erlauben.

Für die Karten, die in White Risk das Lawinengelände zeigen, haben die Forschenden mehr als 860'000 typische Skifahrer-Lawinen simuliert (Harvey et al. 2018). Die Simulationen wurden mit der Geländeklassifizierung zu einem neuen Produkt für die Skitourenplanung kombiniert. Das  automatisierte Verfahren zur Berechnung von Gefahrenhinweiskarten wurde auch bereits für einzelne Regionen in Usbekistan, Georgien, Chile und Afghanistan eingesetzt, wo es heute noch keine Lawinengefahreninformationen gibt. Dies ist eine grosse Hilfe bei der Planung neuer Infrastrukturen und der Evaluierung von bereits bestehenden Schutzmassnahmen für Dörfer und Strassen.

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