Raumplanerische Massnahmen

Lawinengefahrenkarten sind ein wichtiges Instrument in der Raumplanung. Sie zeigen auf, wo Siedlungsräume durch Lawinen bedroht sind und wie häufig und intensiv die Ereignisse auftreten können. Sie bilden die Grundlage für das Erstellen von Gefahrenzonen in der Nutzungsplanung und sind wichtig bei der Notfallplanung.

Mitarbeitenden des SLF erstellten bereits im Jahre 1960 eine der ersten Gefahrenkarten der Schweiz für die Gemeinde Wengen – damals noch auf der Basis von beobachteten Lawinenereignissen und ohne Berechnungen. In der Lawinenperiode von 1968, wo insbesondere die Region Davos grosse Schäden und Todesopfer zu beklagen hatte, übertraten etliche Lawinen die bestehenden Gefahrenzonen. Wir publizierten 1984 Richtlinien für die Erstellung von Gefahrenkarten.
In den letzten zwei Jahrzehnten wurden Lawinensimulationen für die Gefahrenzonierung immer wichtiger. Das Ziel von Lawinensimulationen ist einerseits Auslaufstrecken von Lawinen zu quantifizieren und andererseits die für die Planung von Schutzmassnahmen erforderlichen Lawineneinwirkungen zu bestimmen. Wir entwickelten dafür die Lawinensimulationssoftware RAMMS. Diese stellt den Stand der Technik in der Lawinenberechnung dar. Das Modell berechnet nach der Festlegung der Anrissbedingungen und weiterer Parameter automatisch die räumliche Verteilung von Fliesshöhe, Geschwindigkeit und Drücken. In der Schweiz sind die Kantone für das Erstellen der Gefahrenkarten zuständig. Die Gefahrenkarten werden durch private Ingenieurbüros in Zusammenarbeit mit den kantonalen Naturgefahrenfachstellen erstellt. Das SLF kann im Rahmen von Einsprachen als Oberexperte beigezogen werden. Weiter berät das SLF die Kantone und privaten Ingenieurbüros bei komplexen Gefahrensituationen.

In den Lawinenwintern 1999 und 2018 haben sich die Gefahrenkarten generell gut bewährt. Nur selten sind Lawinen weiter vorgestossen als angenommen. Nach dem Lawinenwinter 1999 wurden in vielen Lawinengebieten die Auslaufstrecken der Lawinen mit Luftbildern dokumentiert. Dank diesen Informationen konnten wir unsere Simulationsmodelle weiterentwickeln und die Gemeinden ihre Karten verbessern. Heute haben 99 % der Gemeinden mit lawinengefährdeten Gebieten eine Gefahrenkarte. Im Auftrag des BAFU überarbeitet das SLF in Zusammenarbeit mit Ingenieurbüros und Kantonen die 1984 erstellte Publikation zur Erstellung von Gefahrenkarten.

In roten Gefahrengebiet herrscht Bauverbot

Gefahrenkarten unterteilen das Gelände detailliert in Gebiete mit unterschiedlicher Gefährdung. Die Häufigkeit und die Intensität der Lawine sind das Mass für die Gefährdung. Die verschiedenen Gefahrenstufen sind mit den Farben Rot, Blau, Gelb und Weiss dargestellt.
„Rotes Gebiet“ bezeichnet erheblich gefährdetes Gebiet. Bei einem Lawinenniedergang muss mit Gebäudezerstörungen gerechnet werden. Bei einer 300-jährlichen Lawine betragen die Drücke mehr als 30 kN/m2. Personen sind sowohl innerhalb als auch ausserhalb von Gebäuden gefährdet. Im roten Gebiet dürfen keine Bauzonen ausgeschieden werden. Das rote Gebiet ist im Wesentlichen ein Verbotsbereich.
Im „blauen Gebiet“ treten seltene Lawinen nur noch mit mittleren Drücken von weniger als 30 kN/m2 auf. Personen sind innerhalb von Gebäuden kaum gefährdet, ausserhalb davon hingegen schon. Neue Bauzonen dürfen nur nach einer Interessenabwägung ausgeschieden werden. Baubewilligungen sind mit Auflagen verknüpft. Die exponierten Gebäudeteile müssen mit bautechnischen Massnahmen (Objektschutz) geschützt werden, weiter sind Evakuationspläne für die Bewohner erforderlich.
Im „gelben Gebiet“ herrscht eine geringe Gefährdung. Personen sind kaum gefährdet, und es muss nur mit geringen Schäden an Gebäuden gerechnet werden. Gelbes Gebiet wird typischerweise im Auslaufgebiet von Staublawinen verwendet.
Im „weissen Gebiet“ herrscht keine oder eine vernachlässigbare Gefährdung.

Grenzen der Gefahrenkarten

Problematisch ist, dass viele Gebiete im Alpenraum besiedelt wurden, lange bevor Lawinengefahrenkarten ausgearbeitet wurden. Solche Gebiete können dann nur mit baulichen Schutzmassnahmen gesichert werden.
 

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