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Totholz und xylobionte Insekten in Waldreservaten (Toxywa)

 

Totholz ist Lebensgrundlage für rund einen Viertel aller Organismen im Wald. Die künftig wahrscheinliche Intensivierung der Holzwirtschaft wird viele holzbewohnende Insekten noch stärker gefährden. In diesem Projekt werden in Waldreservaten die Entstehung und der Abbau von Totholz quantifiziert, die Abhängigkeit von Insekten von Totholz untersucht und Mindestwerte für das Totholzangebot abgeleitet.

 

Hintergrund

Die überragende Rolle von abgestorbenen Bäumen für die Artenvielfalt ist in der Wissenschaft längst bekannt. Deshalb ist Totholz in ganz Europa offiziell als Indikator für die Artenvielfalt im Wald anerkannt und ist folglich ein Kriterium für die nachhaltige Waldbewirtschaftung geworden. Auch in der Schweiz zielt die Waldpolitik auf die Förderung von Totholz. Daher verfügt das Bundesamt für Umwelt seit 2005 über ein nationales Alt- und Totholzkonzept.

Über Jahrhunderte diente der Rohstoff Holz als wichtiger Energieträger und Baustoff. Die Wälder wurden intensiv genutzt und Totholz wurde kaum im Wald belassen. Während in einem Urwald 20-280 m3 Totholz pro Hektare vorhanden sind, beträgt das Volumen in Schweizer Wäldern im Durchschnitt nur 11 m3/ha. Daher sind viele Arten selten geworden. In Deutschland beispielsweise sind 60% der xylobionten Käfer gefährdet oder ausgestorben.

Seit kurzem stehen den Bemühungen zur Förderung von Totholz neue, gewichtige Interessen entgegen. Mit der Verknappung von Erdöl und der Problematik des CO2-Ausstosses gewinnt Holz als CO2-neutraler Energielieferant wieder rasant an Bedeutung. Holz, das bis vor kurzem kaum gewinnbringend genutzt werden konnte und daher als Totholz im Wald blieb, ist wieder als Rohstoff begehrt. Die Nachfuhr an Totholz wird knapp. Dies könnte viele spezialisierte Tierarten stark gefährden.

 

Ziele

  1. Kenntnisse zur Totholzdynamik: Um die Artenvielfalt langfristig zu erhalten, muss Totholz jederzeit in geeigneter Menge und Qualität im Ökosystem Wald vorhanden sein. Im Rahmen der Waldbewirtschaftung muss deshalb ein zweckmässiges Totholzangebot innert nützlicher Frist bereitgestellt werden. Heute wissen wir aber noch sehr wenig über Absterberaten sowie Dauer und Prozesse der Holzzersetzung in natürlichen Waldökosystemen. Dieser Kenntnismangel erschwert es, praxisrelevante Empfehlungen für ein effektives Totholzmanagement zu formulieren. Dieses Projekt will deshalb solide Grundlagen bezüglich Totholzdynamik (Entstehung und Zersetzung) erarbeiten.
  2. Bedürfnisse xylobionter Insekten: Der Naturschutz verlangt, dass in unseren Wäldern "genügend" Totholz vorkommt, um die Artenvielfalt zu erhalten. Wie viel ist "genügend"? Fehlende Kenntnisse machen es schwierig, der Forstpraxis dazu konkrete Angaben zu liefern. Dieses Projekt hat daher zum Ziel, solide wissenschaftliche Grundlagen zu den Totholzmengen und -qualitäten zu schaffen, die für die Erhaltung der Artenvielfalt der Insekten nötig ist. Insekten sind diejenige Tiergruppe, von der am meisten Arten von Totholz abhängig sind. Die Entwicklungssubstrate der meisten (Käfer-) Arten sind zwar bekannt, wovon aber ihr Auftreten in Waldbeständen abhängt, ist quantitativ kaum erfasst. Deshalb sollen in Waldreservaten mit unterschiedlichen Bestandesbedingungen die für das Vorhandensein bestimmter xylobionter Käferarten massgebenden Parameter definiert werden.
 

Methoden

Die WSL ist seit 2007, in Kooperation mit der ETH Zürich und dem BAFU, für die Erhebung und Auswertung einzigartiger Langzeitdaten aus 37 Schweizer Naturwaldreservaten verantwortlich. Diese Langzeitdaten decken alle wichtigen Waldtypen in der Schweiz und fast alle Regionen ab. Sie sind daher hervorragend für unsere Fragestellungen geeignet und erlauben es, Antworten auf die oben erwähnten Fragen für die ganze Schweiz und darüber hinaus zu erarbeiten.

Seit 30 bis 50 Jahren wurde in den Reservaten in 200 Waldbeständen von 0,2 bis 3,3 Hektaren Grösse die Waldentwicklung verfolgt. Von jedem toten Baum ist bekannt, wann er abgestorben ist - und das entstandene Totholz ist noch vorhanden, falls es nicht bereits vollständig zersetzt ist. Das bedeutet, dass die Baumleichen wieder aufgesucht, vermessen und holzanatomisch untersucht werden können. Es wird somit möglich, Chronosequenzen von Bäumen in allen Zersetzungsstadien (von frisch tot bis stark zersetzt) zu bilden, die als Ausgangspunkt für die Herstellung von Modellen der Totholzdynamik dienen. Ein Teil dieser Reservate, nämlich diejenigen mit den best geeigneten Daten und toten Bäumen, werden als Versuchsflächen dienen.

Die 37 Naturwaldreservate wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus der Bewirtschaftung genommen. Es gibt also einen Gradienten von "jüngeren" bis zu "älteren" Reservaten. Somit ist es möglich, eine Chronosequenz der Nutzungsaufgabe bzw. Totholzbildung zu bilden. Auf diese Weise kann zu einem einzigen Zeitpunkt (heute) die Reaktion der Insektenfauna auf die Bewirtschaftungsaufgabe studiert werden. Die xylobionte Insektenfauna (Käfer) wird mit verschiedenen Fangmethoden wie Fensterfallen und visuellem Handfang erhoben. Ausserdem werden weitere Parameter erhoben bzw. in die Analyse einbezogen wie klimatische Bedingungen, Lichtverhältnisse, Bestandeszusammensetzung, Baumpilzangebot, Bodenvegetation u.v.a.

Erwartete Ergebnisse

Generell werden aus diesem Projekt Kenntnisse zu drei Gebieten gewonnen:

  • Dynamik der Totholzentstehung, -menge und -zersetzung;
  • Menge und Qualität von Totholz sowie andere Bestandesparameter, die für die Erhaltung von gefährdeten Insektengemeinschaften nötig sind;
  • und, daraus abgeleitet, Totholz-Schwellenwerte für die Erhaltung einer reichen Xylobiontenfauna in bewirtschafteten Wäldern.
 

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