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Neues Modell der Lawinenauslösung

 

Am Anfang einer Schneebrettlawine steht eine Schwachschicht – eine Schicht in der Schneedecke, in der die einzelnen Eiskristalle nur schwach miteinander verbunden sind. Ausgehend von einer besonders schwachen Stelle kann eine lokale Überbelastung – z. B. wenn ein Skifahrer darüberfährt – eine Reihe von Bruchprozessen ins Rollen bringen, an dessen Ende ein Lawinenabgang steht. Zuerst brechen einzelne, dann lokal immer mehr Bindungen zwischen den Eiskristallen. Ist der geschädigte Bereich gross genug – der Wissenschafter spricht von kritischer Bruchlänge – beginnt der Bruch sich plötzlich und rasant entlang der Schwachschicht unter dem Schneebrett über den ganzen Hang auszubreiten, ähnlich wie bei einem Dominospiel. Innerhalb weniger Sekunden können so grosse Teile der Schneedecke als Schneebrettlawine losbrechen.

 

Schon lange versuchen Schneeforscher, diese Art der Lawinenbildung mit physikalischen Modellen abzubilden, um Lawinen besser vorhersagen zu können. Die ersten Modelle beschrieben den Bruch als einen Scherbruch, ohne wesentliche Eigenschaften der Schwachschicht zu berücksichtigen. Eines der späteren Modelle, das sogenannte Anticrack-Modell, rückte den Kollaps der Schwachschicht ins Zentrum, was es ermöglichte, fernausgelöste Lawinen in flachem Gelände besser zu erklären. Dieses Modell führte aber dazu, dass der Einfluss der Hangneigung auf die Grösse der kritischen Bruchlänge sehr gering wurde – ein Resultat, das doch eher überrascht und der Beobachtung zuwiderläuft, dass Lawinen umso eher abgehen, je steiler das Gelände ist.

Stabilitätsbeurteilung verbessern

Wissenschaftern des SLF und der EPFL ist es inzwischen gelungen, auf der Basis dieser beiden früheren Ansätze ein neues Modell zu entwickeln. Die theoretischen Überlegungen beruhen auf einem numerischen Modell. Es berücksichtigt erstmals das komplexe Zusammenspiel zwischen dem mechanischen Verhalten der Schwachschicht, insbesondere aufgrund deren Mikrostruktur, und der Elastizität der darüber liegenden Schneeschicht, dem Schneebrett. Mit diesem neuen Modellansatz lässt sich nun einerseits die Bruchausbreitung in flachem Gelände simulieren. Andererseits nimmt – wie eigentlich zu erwarten wäre – die kritische Risslänge für eine Lawinenauslösung ab, je steiler das Gelände wird.

Tests mit einer Vielzahl von Daten aus Feldstudien stimmen positiv: Das Modell lieferte ein gutes Abbild der realen Situation. Die Forscher sind deshalb zuversichtlich, dass mithilfe des neuen Modellansatzes die Beurteilung der Schneedeckenstabilität verbessert werden kann, was letztlich auch der Lawinenwarnung zu Gute kommen wird.

 

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