Das Lawinenbulletin

Mit dem Lawinenbulletin und diversen Zusatzprodukten orientiert das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF die Öffentlichkeit über die Schnee- und Lawinensituation in den Schweizer Alpen und im Jura. Der Inhalt des Lawinenbulletins hat den Charakter einer Warnung. Es erscheint im Winter ein bis zwei Mal täglich und enthält als wichtigste Information eine Prognose der Lawinengefahr für die Schweizer Alpen, Liechtenstein und bei genügender Schneelage auch für den Jura.

Zusätzliche Angaben zu den lawinenrelevanten Einflüssen des Wetters und der Beschaffenheit der Schneedecke vermitteln dem Benutzer ein genaueres Bild der aktuellen Situation und dienen als Grundlage für die eigene Beurteilung. Die Information im Lawinenbulletin kann eine eigenständige, lokale Einschätzung vor Ort nämlich nicht ersetzen. Dafür sind die Angaben im Lawinenbulletin aufgrund der limitierten, zu Grunde liegenden Daten zu generell.

Zielpublikum

Das Lawinenbulletin richtet sich an alle, die im winterlichen Gebirge in Beruf oder Freizeit der Lawinengefahr ausgesetzt, oder für die Sicherheit von Dritten zuständig sind. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Lawinendienste und Lawinenkommissionen von Gemeinden und Tiefbauämtern sowie Sicherungsdienste von Bergbahnen
  • Angehörige der Rettungsdienste, der Polizei sowie der Armee
  • Bergführer, Schneesportlehrer und Tourenleiter
  • Bewohner von Siedlungen in den Bergen
  • Wintersportler abseits gesicherter Pisten wie z.B. Freerider, Tourenfahrer, Schneeschuhwanderer, Bergsteiger oder Eiskletterer

Bei relativ günstiger Schnee- und Lawinensituation enthält das Lawinenbulletin vor allem Informationen für Wintersportler. Ab Gefahrenstufe 3 (erheblich) werden Informationen für die Lawinendienste häufiger. Bei sehr grosser Lawinengefahr (Stufe 5), wenn Schneesport im freien Gelände ohnehin kaum noch möglich ist, enthält das Lawinenbulletin vor allem Informationen für die Lawinendienste.

Aufbau des Lawinenbulletins

Das Lawinenbulletin ist in der Hauptsaison entsprechend der «Informationspyramide» strukturiert, d.h. das Wichtigste kommt zuerst (Gefahrenstufe), dann folgen Angaben über die Geländeteile, wo die Gefahrenstufe gilt, dann das Lawinenproblem, die Gefahrenbeschreibung sowie Informationen über die Schneedecke und das Wetter. Schliesslich können auch Messdaten abgefragt werden. Vereinheitlichte Begriffe vereinfachen das Verständnis und die Umsetzung.

Einzelne Teile des Lawinenbulletins

Das Lawinenbulletin besteht aus einer zoombaren Gefahrenkarte inkl. Gefahrenbeschreibung sowie einem Text zu "Schneedecke und Wetter". Diese Inhalte werden nachfolgend beschrieben. In den Randzeiten und bei grossen Schneefällen im Sommer stehen dem Lawinenwarndienst weniger Informationen zur Verfügung als im Winter. Dann ist das Lawinenbulletin weniger detailliert, und Gebiete mit Gefahrenstufe 1 (gering) werden in der Regel nicht beschrieben.

Lawinengefahr

Die Prognose der Lawinengefahr ist der wichtigste Inhalt des Lawinenbulletins. Sie umfasst:

Gefahrenstufe und Gefahrenstellen

Die Gefahr von trockenen und nassen Lawinen wird separat eingeschätzt. Dabei wird jeweils die fünfteilige, europäische Lawinengefahrenskala verwendet und diese bei der Gefahr trockener Lawinen ab Stufe 2 (mässig) zusätzlich in Zwischenstufen (-, =, +) unterteilt. Meistens wird auch angegeben, für welche Expositionen und Höhenlagen die Gefahrenstufe gilt. Fehlen solche Angaben, so gilt die Gefahrenstufe für alle Expositionen und Höhenlagen. Warnregionen mit gleicher Gefahrenstufe in denselben Expositionen und Höhenlagen werden zusammengefasst, sofern auch dieselben Lawinenprobleme vorherrschen und eine gemeinsame Gefahrenbeschreibung möglich ist. Letztere kann zusätzliche Angaben über besonders betroffene Geländeformen enthalten.

Auf der Gefahrenkarte wird für jede Warnregion die maximal erwartete Gefahrenstufe dargestellt (Maximum von trockener und nasser Gefahr). Bei einer Veränderung der Gefahrenstufe im Tagesverlauf orientiert sich die Gefahrenstufe normalerweise an der Situation während des Vormittages. Bei typischen Frühlingsverhältnissen wird mit zwei Karten sowohl die günstigere Vormittagssituation als auch die ungünstigere Situation am Nachmittag dargestellt («Doppelkarte»).

Lawinenprobleme

Die Lawinengefahr kann oftmals einem oder mehreren der fünf typischen «Lawinenprobleme» zugeordnet werden. Normalerweise wird im Lawinenbulletin die Situation in jedem Gefahrengebiet einem oder mehreren davon zugeordnet. Dabei werden folgende Probleme unterschieden:

Trockene Lawinen

  • Neuschnee (bedeutender Schneefall in den letzten Tagen)
  • Triebschnee (vom Wind verfrachteter Schnee)
  • Altschnee (störanfällige Schwachschicht(en) innerhalb der Altschneedecke)

Nasse Lawinen

Ist kein Lawinenproblem prägnant (oft bei geringer Lawinengefahr, Stufe 1), wird dies mit «kein ausgeprägtes Lawinenproblem» angegeben.

Gefahrenbeschreibung

Zu jedem auf der Karte eingezeichneten Gefahrengebiet gibt es eine eigene Gefahrenbeschreibung, wobei die Gefahr trockener und nasser Lawinen separat beschrieben wird. Die Gefahrenbeschreibung gibt die Verhältnisse für diejenigen Höhenbereiche und Expositionen wieder, für welche die Gefahrenstufe gilt. Ausserhalb dieser Höhenbereiche oder Expositionen darf davon ausgegangen werden, dass die Lawinensituation grundsätzlich ähnlich, aber günstiger ist, d.h. die Gefahrenstellen weniger häufig sind. Die Gefahrenbeschreibung kann unter anderem Angaben zur Auslösewahrscheinlichkeit und Grösse der zu erwartenden Lawinen oder zum Schneedeckenaufbau enthalten. Bei Bedarf werden auch Hinweise oder Empfehlungen für einzelne Benutzergruppen gegeben.

Schneedecke und Wetter

Dieser Teil des Lawinenbulletins wird nur am Abend erneuert und umfasst die folgenden Teile:

Schneedecke

Die Schneedecke ist der wichtigste, lawinenbildende Faktor. Die Beschreibung ist generell und umfasst meist sowohl den Aufbau als auch die Stabilität. Während der Schneedeckenaufbau durch die Schichtung der Schneedecke und die strukturellen Eigenschaften der einzelnen Schichten (Kornformen, Korngrössen, Härten) bestimmt ist, ist die Schneedeckenstabilität ein Mass dafür, wie leicht Lawinen ausgelöst werden können. Der Schneedeckenaufbau ist ausschlaggebend für die Stabilität. In diesem Abschnitt wird fallweise auch die beobachtete Lawinenaktivität beschrieben.

Wetter

Das Wetter beeinflusst die Schneedecke und damit die Entwicklung der Lawinengefahr. Beschrieben werden für die Lawinengefahr wichtige Faktoren wie Neuschnee (oder Regen), Lufttemperatur oder Wind. Im ersten Teil wird das Wetter der unmittelbaren Vergangenheit (mindestens für den laufenden Tag), im zweiten Teil die Wetterentwicklung für den Gültigkeits-Zeitraum des Lawinenbulletins beschrieben. In der Gefahrenbeurteilung wird von diesem Wetterverlauf ausgegangen. War der bisherige Wetterverlauf lokal anders als beschrieben oder tritt die prognostizierte Wetterentwicklung nicht ein, kann sich das auch auf die Lawinengefahr auswirken.

Tendenz

In der Tendenz wird basierend auf der Mittelfristprognose für das Wetter die ungefähre Entwicklung der Lawinengefahr für die zwei Tage (im Sommer und in den Randzeiten evtl. nur einen Tag), welche an die Gültigkeitsdauer anschliessen, abgeschätzt.

Empfehlungen

Der Lawinenwarndienst gibt nebst der Gefahreneinschätzung oft auch Empfehlungen ab. Diese sind in genereller Form in der Gefahrenskala definiert, können aber auch Teil der Gefahrenbeschreibung sein und sich an einzelne Benutzergruppen richten. Dabei handelt es sich klar um Empfehlungen, nicht um Vorschriften. Nach eigener Beurteilung im Gelände liegt der Entscheid bei jedem Einzelnen, wie man sich betreffend der Lawinengefahr verhalten soll und welche Risiken man eingehen will.

Empfehlungen für Verkehrswege und Siedlungen richten sich an Verantwortliche der kantonalen und kommunalen Lawinendienste, der Strassen, Bahnen, Bergbahnen und Pistensicherungen. Zu den „Sicherheitsmassnahmen“ zählen z.B. das Sprengen von Lawinen, das Sperren von Verkehrswegen, Abfahrten oder Pisten, oder, bei besonders kritischen Verhältnissen, das Aufsuchen von Schutzräumen oder Evakuationen aus Einzelobjekten oder ganzen Gemeindegebieten. Welche Sicherheitsmassnahmen im Einzelnen getroffen werden müssen, ist von Fall zu Fall unterschiedlich und liegt im Kompetenzbereich der Sicherheitsverantwortlichen.

Empfehlungen für Personen ausserhalb gesicherter Zonen richten sich v.a. an Schneesportler abseits der Pisten, also z.B. an Freerider, Skitourengeher, Schneeschuhwanderer, Eiskletterer oder Bergsteiger. „Verhältnisse“ bezieht sich dabei ausschliesslich auf die Lawinengefahr, nicht auf Schneemenge, Schneebeschaffenheit (Pulverschnee, Bruchharsch) oder die Wetterbedingungen (Nebel, Sturm), selbst wenn diese unter Umständen ebenfalls ein Gefahrenpotential darstellen. "Erfahrung" bedeutet immer Erfahrung in der Beurteilung der Lawinengefahr. Diese erwirbt man am besten unter fachkundiger Anleitung, z.B. in Lawinenkursen oder auf geleiteten Touren bzw. Variantenabfahrten.